„Eine lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt“
– chinesisches Sprichwort
Am 25. April in den späten Abendstunden starten wir unsere Reise nach Fernost ins viertgrößte Land der Erde bereits mit einiger Verspätung in einer Maschine der Austrian Airlines, welche uns in 9-stündiger Flugzeit in die chinesische Hauptstadt Peking (Beijing) bringt, wo wir tags darauf um 12 Uhr Ortszeit landen. Ni hao – guten Tag – bei sonnigen 20° C sind wir nun im „Reich der Mitte“ (chinesisch „Zhongguo“) angekommen, werden von unserer persönlichen Reiseleitung, Frau Qing, willkommen geheißen und zum Tangram Xinyuanli Hotel begleitet. Die noch verbleibenden Nachmittagsstunden nutzen wir zum Erholen und Erkunden der näheren Hotelumgebung und speisen abends in der nahen City Mall in einem Macao Restaurant.
Peking – dreitausendjährige Geschichte
Qing holt uns morgens am 27. April vom Hotel ab und zusammen mit dem Fahrer starten wir unser Besichtigungsprogramm im Sommerpalast, dem bis heute größten und besterhaltenen Garten eines Kaisers in China. Die berühmtberüchtigte Kaiserinwitwe Cixi ließ ihn Ende des 19. Jhs. im eklektischen Stil ihrer Zeit als Alterssitz herrichten. Eine stimmige Anlage, umgeben von Lotosteich, Kiefern- und Bambuswäldern sowie einem 728 m langen, kunstvoll bemalten Wandelgang am Ufer des großen Kunming-Sees. Mittags spazieren wir am weitläufigen Platz des Himmlischen Friedens (Tian’anmen), dem größten innerstädtischen Platz der Welt, wo Mao 1949 die Gründung der Volksrepublik China verkündete. Am heutigen Sonntag können wir schon erste Eindrücke über das Leben im Land mit etwa 1,3 Mrd. Einwohnern gewinnen. Auf sauberen Straßen registrieren wir modern und trendig gekleidete Menschen sowie komfortable Autos gängiger westlicher Marken, während Fahrräder aus Pekings Stadtbild gänzlich verschwunden sind.
Durch das Tor des Himmelsfriedens schreiten wir in weiterer Folge in den Kaiserpalast, auch als Verbotene Stadt bekannt. Die Anlage entstand von 1406 bis 1420 im Stil der Ming-Zeit, umfasst Paläste, Hallen und Pavillons, umgeben von Wassergräben und einer 12 m hohen Mauer – der größte und am besten erhaltene Kaiserpalast der Welt, in welchem 24 Kaiser über 500 Jahre gewohnt und über das Reich regiert haben.
Nachmittags steht der kreisrunde, blaue Himmelstempel von 1420 („Tiantan“) sowie die Halle der Erntedankgaben auf dem Programm und als Abrundung des Tages besuchen wir ein Teehaus, wo wir mit weiteren Touristen in die Kunst der Teezubereitung eingeführt werden und diverse aromatische Sorten verkosten können.
28. April: Wir wandeln weiter auf Marco Polos Spuren. Der venezianische Kaufmann berichtete schon im späten 13. Jh. nach seiner ausgedehnten Reise von einem reichen und prächtigen Land im Osten. Auch für uns steht heute zuallererst ein Highlight auf dem Programm: die Besichtigung der weltberühmten Großen Mauer. Nach einstündiger Fahrt gelangen wir in Juyongguan an einen Abschnitt, welcher von Touristen nicht allzu stark frequentiert wird. Chris und ich wandern bergwärts und genießen stimmungsvolle und erhebende Ausblicke und Eindrücke auf die umliegende Berglandschaft. Mit dem Bau der Mauer als Grenzbefestigung wurde vor über 2.000 Jahren begonnen, sie wurde stetig erweitert und umfasst in ihrer heutigen Form über 6.000 km. Gleich einem Lindwurm windet sich der bis zu 8 m hohe Wall über Bergrücken, Pässe und Gipfel.
Es ist ein überwältigendes Gefühl auf diesem imposanten Bauwerk zu stehen, welches sogar zu den sieben neuen Weltwundern zählt. Sechs davon konnten wir nun schon in natura bewundern. Zwei Stunden lang steigen wir treppauf und treppab und treffen allmählich kaum mehr auf Besucher. Einzig auf eine Gruppe trendiger junger Tänzer, welche gerade am Einstudieren einer Tanzperformance sind. Ich geselle mich kurz zu den Proben und einigen Fotos, während alle sichtlich Spaß an der willkommenen Abwechslung haben. Danach geht’s wieder talwärts zurück zu Qing. Nach dem Mittagessen steht die Besichtigung eines der Ming-Gräber, das Grab Changling am Fuß des Tianshou-Berges auf dem Programm.
Der dritte der dreizehn Kaiser der Ming-Dynastie – Yongle – ist hier in einem imposanten Grabtempel bestattet, dem größten und einzigen mit erhaltener Opferhalle und 32 Säulen aus kostbarem Nanmuholz. Vorbei an den futuristischen Sportbauten der Sommer-Olympiade 2008, „Vogelnest“ und „Wasserwürfel“ (Olympia- und Schwimmstadion) geht es sodann in ein TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) Institut. Hier kommen Chris und ich in den Genuss einer wohltuenden Fuß- und Rückenmassage. Nach dem Abendessen werden wir von Qing zum Bahnhof geleitet, wo um 22 Uhr 15 unser Nachtzug nach Luoyang abfährt. Wir verlassen die Hauptstadt sowie unsere Reiseleiterin und versinken nach einem wunderbaren und ereignisreichen Tag in unserem „Softsleeper“-Vierer-Abteil in einen erholsamen Tiefschlaf.
Luoyang – Shaolin Mönche und Longmen Grotten
Um 7 Uhr 30 am 29. April erreichen wir Luoyang, welches mit seinen 2,4 Mio. Einwohnern im Vergleich zur Mega-Metropole Peking ja geradezu eine chinesische Kleinstadt ist. Wir hatten eine ausgezeichnete Nachtruhe im Kreise von ausschließlich chinesischen Passagieren im Waggon und starten nach dem Einchecken und Frühstücken im Hotel Peony entspannt mit unserer hiesigen Reiseleiterin Shang unser Programm, welches einen Besuch des im Jahr 495 gegründeten Klosters Shaolin Si am Fuß des heiligen Berges Songshan vorsieht.
Dort werden wir in das Leben der Mönche eingeführt, sind Zeugen einer beeindruckenden Vorführung traditioneller Kampfkunst und besichtigen ebenso den Pagodenwald, in welchem die Mönche des Klosters ihre letzte Ruhestätte finden. Das buddhistische Kloster wurde durch zahlreiche Kung-Fu-Filme weltberühmt.
Da es üblicherweise nur wenige ausländische Touristen nach Luoyang verschlägt, werden wir zwei „Langnasen“ vor allem von der jungen – fröhlichen und offenen – Bevölkerung bestaunt und auf zahlreichen Fotos verewigt. Und wiederum bestaunen wir ihre trendige, schicke und farblich oft gewagte Bekleidung. Bei sonnigen 25° C betrachten wir das umliegende Bergpanorama und doch fällt uns das überaus diesige Wetter auf, bedingt durch die enorme Feinstaubbelastung infolge umliegender Industrieanlagen. Ein Preis den das Land offensichtlich für das rasante Wachstum zu bezahlen bereit ist. In Peking hat sich die erwartete Luftverschmutzung eher in Grenzen gehalten, ist aber während der Heizsaison um einiges höher.
30. April: Wir besichtigen heute die Longmen (Drachtentor)-Grotten am Yi-Fluss, welche seit 2000 zum Unesco Weltkulturerbe zählen. Auch hier, bei den bedeutendsten buddhistischen Höhlentempeln Chinas, treffen wir hauptsächlich auf einheimische Besucher. Die chinesische Bevölkerung – ob jung oder alt – bereist offensichtlich mit großer Freude ihr eigenes Land.
Ein Land, das in seinen Ausmaßen eher einem Kontinent gleicht, allein 4.500 km in der Ost-West-Ausdehnung! Wir wandeln in der weitläufigen Anlage und besichtigen einige der insgesamt über 2.000 Höhlen mit unzähligen Skulpturen und Reliefs, allen voran den Fengxian-Tempel mit dem 17 m hohen Buddha Vairocana. Imposant sind die Ausmaße, allein der Kopf misst 4 m und das Ohr 1,9 m. Vom Xiangshan-Tempel am gegenüberliegenden Flussufer genießen wir bei Sonnenschein noch einen wunderbaren Blick auf die Grotten und erblicken am Horizont die Skyline der Stadt. Danach wird für unser leibliches Wohl gesorgt. In einem Restaurant stärken wir uns mit lokalen Köstlichkeiten – Tofusuppe, Gemüse, Fisch, Schweinefleisch und Reis. Frisches Obst zum Dessert rundet das reichhaltige Angebot noch ab. Die Palette chinesischer Speisen ist im Allgemeinen sehr abwechslungsreich und schmackhaft, ein Blick in die Küche ist freilich nicht immer ratsam. Danach geht es zum modernen Bahnhof Luoyanglongmen Station – jener exklusiv für Hochgeschwindigkeitszüge.
X’ian – die erste Hauptstadt des Kaiserreichs China
Wir verabschieden uns von der freundlichen und professionellen Shang und dem Fahrer und besteigen um 15 Uhr 45 einen Zug nach X’ian, welcher uns in zweistündiger Fahrzeit unter Maximalgeschwindigkeit von 250 km/h zu unserem nächsten Reiseziel bringt. Wir gleiten förmlich über die Schienen, vorbei an einer grünen Hügellandschaft, gesäumt von Wiesen, Obst- und Gemüsefeldern und kleinen Ansiedlungen. Vorwiegend in einer Agrarlandschaft sehen wir viele Bauern bei der Arbeit auf ihren Feldern. In Xian, was „westlicher Frieden“ bedeutet und an der Seidenstraße liegt, empfängt uns Han und geleitet uns zum King Dinasty Hotel. In der 8 Mio. Einwohner-Stadt ist der allgemeine Bauboom deutlich sichtbar. Hochhäuser wachsen allerorts in den Himmel.
1. Mai: Morgens werfe ich einen Blick aus unserem Zimmer im 18. Stock auf die Stadt. Ernüchterung macht sich breit. Eher trostlos erscheint sie – welche dreizehn Kaiserdynastien hindurch als Hauptstadt fungierte – überall seelenlos wirkende Hochhäuser, denen alte Häuser weichen mussten. Es ist bedeckt, Smog – eigentlich das ganze Jahr hindurch – in der Millionenstadt, in welcher die Einwohnerzahl etwa so hoch ist wie in ganz Österreich. Die enorme Feinstaubbelastung mit allen gesundheitlichen Auswirkungen ist für die Bevölkerung schon Alltag geworden. Ein nicht endender Bauboom, und doch sind die Kosten für die Wohnungen in den Hochhäusern für die Bevölkerung teils kaum finanzierbar und bedingen, dass oft drei Generationen unter einem Dach wohnen. Schlagartig wird mir die hohe Lebens- und Luftqualität in unserer Heimat bewusst und ich muss an unser gemütliches, überschaubares Wien denken, in welches wir nach jeder unserer Reisen von Herzen gerne zurückkehren. Und doch erscheint in China für uns alles auf gewisse Weise riesig und gewaltig in den Dimensionen.
60 km außerhalb der Stadt wartet ein imposantes Highlight auf uns: die Terrakotta Armee, ein gewaltiges Heer von über 6.000 Tonsoldaten, einst zur Abschreckung errichtet, 1974 zufällig durch einen Bauern beim Brunnenbohren entdeckt, ausgegraben und nun in vier Hallen zu besichtigen. Am heutigen Feiertag ist scheinbar die ganze Stadt unterwegs und schon bald stecken wir in einem heillosen Stau. Aber wir sind ja im Urlaub, entspannt und gelassen, der europäische Alltag ist fern. Han erzählt uns Interessantes über die Armee und unseren weiteren Tagesablauf.
Trotz der enormen Menschenmassen in der Anlage sind wir von den Ausgrabungen schwer beeindruckt. Der erste Kaiser Chinas, Qin Shi Huangdi, ließ sich schon zu Lebzeiten eine mächtige Grabanlage errichten, die zudem von Tausenden aus Ton gebildeten Kriegerfiguren für immer bewacht werden sollte. An die 700.000 Arbeiter wurden zum Bau der Figuren verpflichtet, welche individuelle und bemalte Gesichter erhielten, viele davon mit Speeren und Armbrüsten bewaffnet.
Nach dem Mittagessen besichtigen wir die 1.200 Jahre alte Große Wildganspagode und fahren entlang der Stadtmauer, vorbei an Nord-/Südtor und Glockenturm zur Großen Moschee. Auch hier herrscht dichtester Verkehr und die Feinstaubbelastung ist erschreckend. Es sind eigentlich ausschließlich Autos und Busse unterwegs, auch hier sind Fahrräder gänzlich aus dem Stadtbild verschwunden.
An der Großen Moschee wandeln wir durch den weitläufigen Garten, ebenso durch den angrenzenden moslemischen Markt mit buntem und geschäftigem Treiben. Moslems bilden hier nur einen geringen Prozentsatz, sind jedoch wie alle anderen Minderheiten von der 1-Kind-Politik in China ausgenommen. Am Markt gibt es alles Erdenkliche zu kaufen und Menschenmassen strömen durch die engen Gassen. Durch lauten Verkehr kehren wir schließlich mit vielen neuen und ungewohnten Eindrücken ins Hotel zurück und doch genieße ich heute abends die Stille und Muße in unserem Zimmer.
Guilin, Flussfahrt am Li-Fluss und Yangzhou
Morgens am 2. Mai checken wir im Hotel aus uns machen uns auf den Weg zum Flughafen, wo um 10 Uhr 50 unser Flugzeug der China Southern Airlines nach Guilin abhebt und uns in 100-minütiger Flugzeit in südlichere Regionen bringt. Nach dem Lärm und Verkehr der Großstadt freue ich mich nun auf eine ländliche Gegend. Und das ist sie in der Tat. Um 12 Uhr 30 landen wir bei subtropischen 26° C, es ist wesentlich feuchter und grüner als im Norden, rundherum Reisfelder, auf denen zweimal jährlich geerntet werden kann. Hier finden wir auch noch das typische, urtümliche China vor. Der Name Guilin selbst bedeutet eigentlich Zimt-Wald. Wohlwollend registrieren wir weitaus bessere Luftverhältnisse und herrlichsten Sonnenschein.
Hier gibt es noch vorwiegend ländliche niedrige Häuser, auf den Straßen sind die Menschen auch per Rad und Moped unterwegs. Reiseleiterin Yan nimmt uns in Empfang und geleitet uns durch die liebliche Kleinstadt zum Fubo-Berg, wo wir über zahlreiche Stufen emporsteigen und einen wunderbaren Blick auf die Stadt und den Li-Fluss mitsamt vielen Booten haben. Unterwegs treffen wir auf eine Gruppe junger fröhlicher Chinesinnen. Rasch ist Chris als „Mister Langnase“ unter großem Jubel von holder Weiblichkeit umringt und auf zahlreichen Fotos verewigt.
Yan selbst bezaubert ebenfalls durch ihr fröhliches und aufgeschlossenes Wesen sowie ihre exzellenten Deutschkenntnisse. Nach dem Einchecken im Hotel Guilin Bravo genießen wir unser Mittagessen in einem lokalen Restaurant und entspannen am Nachmittag am Hotelpool, Brautpaare bei Empfang und Fotoaufnahmen bestaunend. Während eines Abendspazierganges fotografieren wir liebliche Motive am beleuchteten Stadtsee Rong Hu und genießen im Teehaus stimmungsvolle fernöstliche Momente.
3. Mai: Heute ist eine romantische Schifffahrt auf dem Lijiang, dem Li-Fluss, nach Yangshuo vorgesehen. Nach einem köstlichen und abwechslungsreichen Frühstück – von chinesisch bis kontinental ist alles vorhanden und Chris stärkt sich gleich vorweg mit einer Wontonsuppe – checken wir im Hotel aus. Wir verlassen Guilin und gehen nach 45-minütiger Autofahrt durch eine fruchtbare, mediterrane Gegend, gesäumt von Zimtbäumen sowie Obst-, Gemüse- und Reisfeldern mit etwa 100 weiteren Touristen an Bord. International ist diesmal die Runde. Bei uns am Tisch nimmt eine französische Familie und ein irisches Paar Platz, aber die meiste Zeit sind wir eigentlich am Oberdeck. Gleich eingangs wird köstlicher Tee gereicht und liebliche Musik erklingt. Ich staune über die sehr gute Wasserqualität und die smaragdgrüne Farbe des Flusses.
Den schippern wir entlang, vorbei an idyllisch grünbewachsenen, steil aufragenden Karstkegeln, Wasserfällen, Häusern und Dörfern am Ufer. In dieser wahren Märchenlandschaft sichten wir Reisfelder, Höhlen, Wasserbüffel und Kormoranfischer auf ihren kleineren Bambusflößen. Es herrscht eine lockere, fröhliche Stimmung an Bord. Die Sonne lacht vom Himmel und wir tun es mit ihr. Das Leben ist schön! Phantasievolle Felsformationen wie „Katzenohren“ und „neun Pferde“ tauchen am Ufer auf und bilden eine zauberhafte Umrahmung des Flusses. Zur Mittagszeit wird an Bord für unser leibliches Wohl gesorgt. Abenteuer macht schließlich hungrig. Es fehlt uns wiederum an nichts: Suppe, diverse Gemüsesorten, Eier-Reis, Sojasprossen, Huhn, Kartoffel und Obst werden serviert. Mit Stäbchen ausgerüstet, lassen wir uns das Mahl gut schmecken und haben zusammen mit den Franzosen und Iren viel Spaß. Danach begeben wir uns wieder aufs Oberdeck und genießen weitere Eindrücke in dieser friedvollen Stimmung.
Der Fluss wird nun allmählich breiter, mit flachen, satten grünen Ufern und grasenden Wasserbüffeln. Kurz nach 13 Uhr erreichen wir bei schwülen 29°C die Kleinstadt Yangshou. Lieblich und ländlich liegt sie da, mit etwa 30.000 Einwohnern, von Hochhäusern ist weit und breit nichts zu sehen. Am Kai gibt es noch ein gemeinsames Foto für uns mit einem Fischer und seinen zwei Kormoranen. Auch hier bewundern wir allerorts die steilen, grün bewachsenen Karstkegel, welche sich an vielen Stellen der Stadt erheben und diesen einzigartigen, stimmungsvollen Flair ausmachen.
Danach flanieren wir zusammen mit Yan durch den bunten geschäftigen Markt und die Weststraße, auch Langnasenstraße genannt, Richtung New Century Hotel, wo wir für eine Nacht wohnen. Unsere Koffer sind inzwischen mit dem Fahrer auf dem Landweg hierher unterwegs. Für den Abend ist die Show Impression Liu Sanya gebucht. 600 Laien-Darsteller zeigen am Wasser Szenen aus dem Leben, in bunten und aufwendigen Kostümen, Trachten und Bootsformationen. Die Luft ist angenehm lau, unter eindrucksvollen Licht- und Toneffekten erstrahlt die umliegende Karstlandschaft – ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus! Und doch fällt mir auf, dass sich die Begeisterung des Publikums (etwa 3.000 Besucher, viele Einheimische) in Grenzen hält. Es gibt kaum Applaus. Standing Ovation und minutenlanger Beifall sind in China anscheinend kein Thema. Auch verlassen etliche Zuschauer die Vorstellung schon während der letzten Darbietungen. Andere Länder – andere Sitten!? Uns jedenfalls hat die 70-minütige Vorstellung sehr gut gefallen – als Ergänzung eines wunderbaren Tages.
4. Mai: In den frühen Morgenstunden geht ein subtropischer Regenschauer nieder und hüllt die grünen Karstkegel in mystisch anmutende Nebelwolken. In dieser märchenhaften Stimmung müssen wir Abschied nehmen von Yangshou und nach Guilin zurückkehren. Eigentlich wollen wir ja noch gar nicht abreisen, es gefällt uns hier außerordentlich gut.
Bei einem letzten Fotostopp blicken wir nochmals zurück, rasch sind wir wieder von einer Schar junger Menschen umringt und lustig-fröhliche Schnappschüsse werden gemacht. Danach geht es endgültig über die moderne Autobahn Richtung Guilin. Reisfelder erstrecken sich zu beiden Seiten und es gibt kaum Verkehr. Mit Wehmut sagen wir der sympathischen Yan lebe wohl – danke für die zwar kurze, aber wunderbare gemeinsame Zeit! Um 14 Uhr 10 heben wir verspätet von Guilin ab. Ein letztes Mal noch blicke ich auf grüne Karstkegel und satte Reisfelder – schön war es hier – dann entschwinden wir in den Wolken und fliegen unserem nächsten Ziel entgegen: Hangzhou, von Marco Polo einst für die schönste Stadt der Welt gehalten.
Hangzhou – grüne Stadt mit reiner Luft
Wir landen um 15 Uhr 45 bei 18° C und regnerischem Wetter in Hangzhou und werden zum Hotel Best Western chauffiert. Die sehr grüne Stadt, im 10. und 12. Jh. jeweils kaiserliche Hauptstadt des Reiches, weist die landesweit reinste Luft und höchste Lebensqualität auf, des Weiteren ist sie für ihre Seiden- und Teeindustrie sowie für den Tourismus bekannt. Viele Chinesen verbringen hier gerne ihren Lebensabend.
5. Mai: Mit unserem hiesigen Guide Gu, einem sympathischen älteren Herrn, starten wir morgens zum Westsee – Xi Hu – welcher zum Unesco Weltkulturerbe zählt, eine mit Pagoden, Pavillons und Tempeln prächtig gestaltete See- und Parklandschaft. Ein wunderbarer sonniger Tag in subtropisch angenehmen 22° C liegt vor uns. Kleine niedrige Häuser in dörflichem Stil sowie buntes und quirliges Treiben faszinieren uns, die überaus saubere Luft wird hier durch keinerlei Schwerindustrie getrübt. Heerscharen von Straßenkehrern sorgen für ebenso akkurat saubere Straßen und es fallen uns auch viele Menschen auf, welche auf ihren Elektro-Fahrrädern und Elektro-Mopeds unterwegs sind.
Auf dem 6,7 km² großen Westsee genießen wir eine 30-minütige idyllische Bootsfahrt, setzen unsere Besichtigung sodann durch den stimmigen Park unter Zimt- und Kampferbäumen fort, vorbei an Peony-Blumen, bei uns als Pfingstrosen bekannt, Goldfisch-Teichen und Bambus-Wäldchen. Alles bezaubert durch eine stimmige, harmonische Atmosphäre. Danach fahren wir durch ausladende Platanen-Alleen zum Lingyin-Kloster, dem Kloster der Seelenzuflucht, und sichten bereits zu beiden Seiten üppige Tee-Plantagen. Das Kloster, von einem indischen Mönch Anfang des 4. Jh. gegründet, mehrmals zerstört und wieder aufgebaut, zählt zu den zehn wichtigsten Sehenswürdigkeiten Chinas, wie uns ein sichtlich stolzer Gu berichtet. Inmitten des 1.500 Einwohner-Dorfes Meijiawu nehmen wir unser Mittagessen ein, genießen das prächtige Wetter und die nach dem gestrigen Regen überaus frische Luft. Hier würde man gerne länger verweilen.
Auf einer der Tee-Plantagen mit Blick auf das Dorf werden wir herumgeführt. Mit Schürze, Hut und Teekorb ausgestattet, übe ich mich sodann unter Gus Anleitung in der Kunst des Teepflückens. Ein etwas mühsames Unterfangen, wie ich erfahre: 1 kg Tee erfordert im Schnitt acht Stunden Arbeit einer Teepflückerin! Nun, wir beide werden letztendlich mit einigen Tassen bekömmlichen Tees verwöhnt sowie mit der Teezubereitung vertraut gemacht. Danach geht es entlang des Westsees und durch die Altstadt von Hangzhou wieder einmal Richtung Bahnhof.
Wir sagen Gu und dem Fahrer Lebewohl und besteigen am hypermodernen Ostbahnhof um 16 Uhr 30 einen Schnellzug nach Suzhou. Mit stimmigen Tageseindrücken gleiten wir mit 245 km/h unserem nächsten Ziel entgegen: der alten Kaiserstadt Suzhou, die wir um 18 Uhr 46 auf die Minute pünktlich erreichen. Jade nimmt uns in der 1,2 Mio.-Einwohner-Stadt in Empfang und geleitet uns für eine Nacht zum Hotel Holiday Inn, wo wir im 10. Stock wohnen.
6. Mai: Zusammen mit Jade starten wir den Tag bei prächtigstem Sonnenschein mit einem Spaziergang durch die grüne und sehr saubere Altstadt – einst durch Seide reich geworden.
Viele Räder und Mopeds sind unterwegs, der Verkehr hält sich jedoch insgesamt in Grenzen. Wir flanieren über den Markt und besichtigen den „Garten des bescheidenen Beamten“, welcher seit dem Jahr 2000 zum Unesco Weltkulturerbe zählt. In der Gartenstadt Suzhou, Leitbild in Sachen guter Lebensart und gerne von Vermögenden und Künstlern bewohnt, gibt es insgesamt zwanzig Gärten mit idyllisch angelegten Teichen, Brücken, Kanälen und Pavillons. Mit einer Bootsfahrt am künstlich angelegten Kaiserkanal, welcher einst bis Peking reichte, setzt sich unser Tages-Programm fort.
Wir gleiten über das Wasser und werden mit chinesischen Gesängen verwöhnt. In einem Tee-Salon verkosten wir einmal mehr köstliche Sorten – von Baby-Yasmin über Oolong bis hin zu einer Schwarztee/Rosen-Mischung – und speisen sodann mit Jade zu Mittag, ehe wir noch dem Fischnetz-Garten aus dem Jahr 1141 einen Besuch abstatten.
Mit 0,6 ha eine kleinere aber nicht weniger zauberhafte Anlage, die wir ebenso bei „Kaiserwetter“ besichtigen. Danach steht erneut eine Zugfahrt an der Tagesordnung, in China eine durchaus komfortable Möglichkeit schnell von einem Ort zum nächsten zu gelangen. Nachmittags um 15 Uhr 50 rauschen wir im ICE mit 267 km/h gen Osten und erreichen nach 30-minütiger Fahrt Shanghai-Station, wo uns Reiseführer Xu in Empfang nimmt und ins Hotel Rendezvous Merry bringt. Shanghai – eine reiche Geschäftsstadt, mediterran geprägt in Meeresnähe, international, sehr sauber aber auch laut, erwartet uns. Eine Stadt des „Big Business“, Austragungsort der Expo 2010, welche in den letzten 20 Jahren rasant gewachsen ist und sich vom einfachen Fischerdorf zur boomenden Weltmetropole entwickelt und sehr verändert hat. Ein ungebremster Bauboom hat viele der alten Häuser verschwinden lassen, die Chris bei seinem Besuch vor ein paar Jahren noch sehen konnte. Das ursprüngliche China findet man hier kaum mehr.
Shanghai – die größte Stadt Chinas
Mit Xu flanieren wir am 7. Mai zuallererst durch die Altstadt im Stadtteil Puxi, besichtigen danach den Yu-Garten, wiederum ein Ort klassischer chinesischer Gartengestaltung, und wandeln bei angenehmen 24° C über die Zickzackbrücke zum Teehaus im See.
Danach geht es mit dem Fahrer durch einen der insgesamt sechs Tunnel unter dem Huangpu-Fluss hindurch zum neuen, modernen Viertel Pudong mit seinen gepflegten, breiten, begrünten Straßen, Banken und in den Himmel wachsenden Hochhäusern. Hier – in bester Lage – haben westliche Firmen ihre Niederlassungen, gibt es aber auch Wohnungen zu extrem hohen Preisen. Shanghai – die Stadt der Superreichen erkennt man ebenso an den Automarken: Bentley, Maserati, Jaguar, Porsche … – alles vertreten. Kinder sieht man in der Stadt allerdings kaum, viele Paare verzichten zugunsten der Karriere gänzlich auf Nachwuchs. Materielles ist hier von enormer Bedeutung, hat aber eine gewisse Oberflächlichkeit zur Folge. Die Einkommensgegensätze sind gewaltig: immenser Reichtum noch immer neben Armut. Während unseres nächsten Programmpunktes schnuppern wir dann zur Abwechslung Höhenluft. Vom 88. Stock des Jinmao Towers eröffnet sich uns aus 340 m Höhe ein gigantischer Ausblick auf die Stadt und den Fluss. Wir sehen zum Fernsehturm sowie auf den noch im Bau befindlichen – viel höheren – Shanghai Tower, ebenfalls zum „Flaschenöffner-Gebäude“ mit seiner typischen Form. Bauwerke der Superlative in einer rasant wachsenden und sich verändernden Stadt. Doch, wo bleibt denn hier der Mensch? Wir blicken hinunter zur Altstadt, welche wir zuvor besichtigt haben und die leider immer mehr dezimiert wird. Wie Spielzeug erscheinen die Autos am Boden und die Boote am Fluss. Wie uns Xu berichtet, gibt es schon ehrgeizige Pläne für einen noch höheren Bau in der Riege der weltweit höchsten, wie dem Turm Khalifa mit über 800 Metern. Immer schneller, weiter, höher… Wohin soll der Wettlauf führen?
Wasserdorf Zhujiajiao – das Venedig Shanghais
Wieder auf den Erdboden zurückgekehrt, machen wir uns auf den Weg ins 800 Jahre alte Wasserdorf Zhujiajiao am Rand des Einzugsgebietes von Shanghai. An Kanälen mit insgesamt 36 Brücken leben hier etwa 9.000 vorwiegend alte Menschen in kleinen, weiß getünchten Häusern ein noch traditionelles Leben.
Betagte Frauen bereiten typisch chinesische Speisen zu – eine bunte Palette wird dargeboten und kulinarische Gerüche ziehen sich durch die engen Gassen. Dieses „Venedig in Shanghai“ besichtigen wir nun – welch ein Unterschied zum Vormittag! Abends verschlägt es Chris und mich zurück in die City an die berühmte Uferpromenade – den Bund. Im Licht der untergehenden Sonne blicken wir auf die Skyline von Pudong und mit zunehmender Dunkelheit auf ein fulminantes, grandioses Lichterspektakel.
Weiter spazieren wir über die pulsierende Einkaufsstraße Nanjing Lu Richtung People’s Square. Abends ist hier scheinbar die ganze Stadt auf den Beinen, zum Chillen, Shoppen, Feiern. Überall blinkt bunte Straßenreklame, erneut entdecken wir zahlreiche Hochzeitspaare bei endlosen Fotoaufnahmen, Restaurants und Geschäfte sind geöffnet und allseits stark frequentiert.
Auf mich wirkt der ganze Trubel etwas spacig und surreal. Hier brodelt es wie in einem Hexenkessel, und wir beide – mittendrin! Mit der U-Bahn kehren wir schließlich zum Hotel zurück. Es war ein langer, ereignisreicher Tag den ich nicht missen möchte. Doch für heute macht das Abenteuer erst einmal Pause.
8. Mai: Unsere Koffer sind erneut gepackt. Nach dem Auschecken begleitet uns Xu zum „Transrapid“, Shanghai Maglev Train, einer Magnetschwebebahn als Verbindung zum 30 km entfernten Flughafen. Mit 430 km/h – weltweiter Höchstgeschwindigkeit – rasen, nein schweben wir wahrlich in sieben Minuten ans Ziel. Gewaltig! Ein weiterer Mosaikstein im Land der Superlative.
Um 13 Uhr hebt unser Flugzeug Richtung Hongkong ab. Goodbye Shanghai! Wir verlassen eine Weltstadt – geschäftig, aufregend, weltoffen und rastlos. Hier endet auch unsere geführte Reise „China Highlights“. Für uns geht es nun weiter in die ehemals britische Kronkolonie, wo wir ein paar Tage zu zweit die Stadt erkunden und die Eindrücke der Rundreise nochmals Revue passieren lassen wollen.