Ein Wochenende steht vor der Tür, in Tokyo ist es regnerisch und kalt, also hinein in den nächsten Flieger und ab auf das subtropische Okinawa – auch als das Hawaii Japans bezeichnet, 1.500 km südwestlich von Tokyo. Naha, die Hauptstadt der schmalen, nur 135 km langen Insel ist Ziel meines Wochenendausfluges während eines geschäftlichen Aufenthalts in Japan.
Der Okinawa-Archipel – auch als Ryūkyū -Inseln bekannt – besteht aus 65 subtropischen Inseln, von denen 45 bewohnt sind und liegt auf einer Korallenbank, die quer durch den Pazifik und das Ostchinesische Meer verläuft. Okinawa, die größte der Inseln des Archipels, gab der 1879 eingerichteten Präfektur ihren Namen. Durch wechselnde Herrschaft – ab dem 15. Jh. zu China gehörend, später Teil des Satsuma-Reiches – war Okinawa vielen Einflüssen ausgesetzt, die eine eigenständige, exotische Kultur hervorbrachten. Die heutigen Bewohner entstammen einem kulturellen Schmelztiegel aus Zuwanderern aus Südostasien, den Philippinen, der Mongolei, China und Korea.
Die 6 km östlich von Naha (那覇市) gelegene 500 Jahre alte Stadt Shuri (首里) war Hauptstadt, bis die Inseln 1879 zu Japan kamen und durch Naha als Inselhauptstadt abgelöst wurde. Heute sind die beiden Städte ineinander verschmolzen. Nahas Blütezeit basiert auf Seehandel mit Asien und dem Westen, die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg in der drei Monate dauernde Schlacht um Okinawa, die letzte Schlacht des Pazifikkrieges, fast vollständig zerstört und wieder neu aufgebaut.
Vom Flughafen quer durch die Stadt bis hinauf nach Shuri führt eine moderne Monorailbahn. Mein Hotel befindet sich am Fluss, praktischerweise direkt an einer Monorail-Station. Die Hochbahn fährt zwischen den Häusern quer durch die Stadt, sodass man mit einem Ticket für 24 oder 48 Stunden praktisch alle interessanten Punkte in Naha bequem erreichen kann.
Mein erster Weg führt mich hinauf nach Shuri, zum Shuri-ji, dem Shuri Castle (首里城). Das königliche Schloss des Königreiches Ryūkyū, im Krieg Hauptquartier des Japanischen Oberkommandos, wurde vollständig zerstört. Heute sind Teile nachgebaut, wie das Shurei-mon, das Eingangstor zum Schloss und die Seidenhalle, umgeben von einem sehr schön angelegten Park. Am Fuße des Schlosshügels findet sich der kleine Bezaitendo-Schrein aus 1502 auf einem Inselchen im Enkan-Teich, verbunden durch eine alte steinerne Brücke, Tennyo Bashi, hergestellt aus Kalkstein aus der Region.
Tipp: Von der Monorail-Station nicht den Massen nachlaufen, diese gehen alle über die Straße zum Schloss. Viel schöner ist der Weg durch einen Park, der nach der zweiten Ampel links durch ein Tor erreichbar ist. Am Ende des Parks kann man rechts der Schlossmauer entlang zum Eingang gelangen, oder links die Stufen hinunter den Schlosshügel im Uhrzeigersinn umrunden, um auch zum Eingang zu gelangen. Ein netter kurzer Spaziergang abseits stark befahrener Straßen.
Shurei-mon, das zeremonielle äußere Schlosstor im Chinesischen Stil diente der Begrüßung der für das Königreich Ryūkyū sehr wichtigen chinesischen Gesandten. Vor dem ersten Eingangstor steht das Sonohyan-utaki Ishimon (園比屋武御嶽, Steintor des Sonohyan Schreins), welches bis auf die Türen komplett aus Stein gefertigt ist. Es ist eigentlich eine Gebetsstätte, die dem Besucher einen Eindruck vom Utaki („Heilige Orte“)-Glauben und der Zeit der Steinmauertechnik vermittelt. Durch das Haupttor Kankai-mon und das zweite Tor Zuisen-mon gelangt man in das Schlossinnere, welches einen lebendigen Einblick in die Geschichte des Königreichs Ryūkyū bietet und in einen Regierungsbereich, Raum für religiöse Zeremonien und einen Wohnbereich gegliedert ist.
Anschließend spaziere ich die alte steingepflasterte Straße Ishitatami-michi hinunter. Sie ist ein Überbleibsel des alten Naha aus der Zeit von König Shin (15. Jh.) und schlängelt sich den Hügel hinunter an alten Häusern mit tropischen Gärten vorbei, die von Korallenmauern umgeben sind. Die 300 m lange, mit Ryūkyū -Kalksteinen gepflasterte Straße ist ein Schatz der Präfektur Okinawa und zählt zu den 100 schönsten Straßen Japans. Im 16.Jahrhundert wurde sie vom König und seinen chinesischen Staatsgästen auf dem Weg in die Villa Shikina-en genutzt. Die Umgebung vermittelt einen Eindruck der Atmosphäre der alten Königsstadt Shuri.
Nächstes Ziel ist der Shinto-Schrein Naminoue (波上宮, Schrein über den Wellen) am Stand von Naminoue, gewidmet den drei Ahnengöttern des Japanischen Kaiserhauses. Gleich daneben befindet sich der kleine Konfuzius-Tempel Koshibyo.
Weiter stadteinwärts auf der Matsuyama-dōri befindet sich der Fukushūen Chinese Style Garden (福州園, Fuzhou Garden), eine liebliche Gartenanlage, erbaut 1992 zum Zehnjahresjubiläum der Schwesternstädte Naha und Fuzhou in China. Der Garten wurde fast ausschließlich mit Holz und Steinen aus Fuzhou durch Handwerker aus Fuzhou nach den Gesichtspunkten eines traditionellen Chinesischen Gartens erbaut. Die verschiedenen Bereiche des Gartens beinhalten mehrere Brücken über Teiche und kleinen Wasserläufen mit jeder Menge Koi und Wasserschildkröten, verschiedene Gebäude und einen Wasserfall.
Zentral inmitten von Naha befindet sich die Kokusai-dōrim (Internationale Straße), eine quirlige Einkaufsstraße und Vergnügungsmeile, die am Sonntag – wie die Ginza in Tokyo – für den Verkehr gesperrt ist und von Akrobaten, Straßenmusikanten und Unterhaltung für Groß und Klein belebt wird. Etwas schrill und laut, aber wer‘s mag …
Ein etwas älteres, ruhigeres Ambiente und den so typischen Asiatischen Marktflair voll Farben und Gerüche findet man in der Marktstraße Heiwa-dōri, welche ursprünglich nach der Schlacht von Okinawa von Kriegswitwen eingerichtet wurde. Mein verspannter Rücken hat sich gefreut, als ich in einer kleinen Gasse auf einen Masseur gestoßen bin, der sich mir „Langnase“ fachkundig hinter einem Plastikvorhang mitten am Markt angenommen hat. Sehr angenehm, ich bin gleich am nächsten Tag nochmal hingegangen!
In unmittelbarer Nähe liegt auch der Makishi Public Market mit allem erdenklich Essbaren, Fleisch, Fische, lebende Langusten, Krabben und riesige Muscheln, die mich beim Vorbeigehen ‚anspucken‘.
Am östlichen Ende der Heiwa-dōri schließt das Töpferviertel Tsuboya an. Entlang der Tsuboya-yachimun-dōri werden in vielen kleinen Geschäften Geschirr und shisa, Statuen des legendären Okinawa-Löwen, der überall auf den Dächern zu finden ist, in großer Auswahl angeboten.
Das dreiteilige Sōgen-ji Ishimon Stonegate mit einem eindrucksvollen, alten Baum mit weit ausladenden Ästen dahinter war das erste Haupttor und letztes Überbleibsel des Sōgen-ji Tempels, in der Ryūkyū Monarchie ein Mausoleum und ist das letzte Ziel meiner Stadterkundung. Bevor es wieder zum Flughafen und zurück ins kalte, wolkige Tokio geht, fahre ich noch ein letztes Mal hinauf zum Shuri Castle Park, um die Aussicht über das sonnige Naha und das Ostchinesische Meer zu genießen.
Schade, dass ich mir weitere interessante Ziele auf dem Rest der Insel für das nächste Mal aufheben muss, wenn ich auch einen internationalen Führerschein mit dabei habe. Die Mitarbeiterin der Autovermietung hat meinen Österreichischen Scheckkarten-Führerschein etwas ratlos hin- und hergedreht und mir mit den Worten ’sumimasen (sorry), Japanese license only‘ zurückzugeben. Nix Leihwagen. Immerhin, ein guter Grund, mit Herta nochmals herzukommen…
Okinawa – Japan, verbunden mit subtropischem Flair, eine neue Erfahrung für mich, die ich sehr genossen habe!